ILE Abteiland auf Exkursion
In Kommunen herrschen im Bereich Städtebau viele Herausforderungen. In fast jedem Ortskern gibt es leerstehende Gebäude oder drohende Leerstände, und auch bei Freiflächen müssen Kommune überlegen, welche Bebauung am sinnvollsten wäre. Im Handlungsfeld „Innenentwicklung“ der ILE Abteiland holt man sich seit 2023 externe Expertise durch den Architekten Florian Riesinger ein, der die Kommunen fachlich berät und aktuell bereits Möglichkeiten für erste individuelle Ansätze zur Innenentwicklung aufzeigt.
Nun machten sich – organisiert vom Handlungsfeld Innenentwicklung – Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Geschäftsleiter und Mitarbeiter der Verwaltung gemeinsam auf den Weg, sich Inspirationen für die eigenen Gemeinden zu holen. Gestartet wurde mit einer ersten Exkursion nach Oberbayern, wo es um das Thema „Wohnen“ bzw. „Wohnformen“ ging.
Bürgermeister Michael Grasl aus Münsing, in dessen Gemeinde ca. 4.400 Menschen wohnen, hieß die Gruppe im Rathaus willkommen. Gemeinsam mit Architekt Stefan Kohlmeier von Arc Architekten erläuterte er, wie die Bewohner von Münsing bei den Überlegungen der Bebauung einer Brachfläche im Ortskern einbezogen wurden. Ging man von ursprünglich 6 Einfamilienhäusern oder Doppelhaushälften aus, die dort Platz gehabt hätten, entschieden sich 81 % der interessierten Bürgerinnen und Bürger für das Mehrgenerationen-Konzept „Pallaufhof“.
Schließlich wurden in einer Baugemeinschaft zwei lange Gebäude mit einem Mix aus 24 Einheiten – von der 2-Zimmer Wohnung bis zum 7-Zimmer Reihenhaus – umgesetzt, so dass dort Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen Platz finden. Für Privatsphäre sorgen Holzlamellen, die die großen Glasflächen vor Blicken von außen schützen. Neben ihrer eigenen Garteneinheit steht allen Bewohnern zwischen den beiden Gebäuden eine Gemeinschaftsfläche mit großen Bäumen zur Verfügung, auf der sich die Kinder zum Spielen oder Erwachsene auf einen Ratsch treffen.
Nach dieser eindrucksvollen Besichtigung ging es anschließend mit dem Bus nach Weyarn weiter, wo die Architektin Karin Drexler von MvB Baukultur das Projekt „Klosteranger“ vorstellte. Auf dem Gelände befand sich eine verfallene, alte Klosterbrauerei, die saniert wurde und wo sich nun ein Klostercafé und ein Bürgergewölbe befinden. Auf der großen Freifläche entstanden zahlreiche Häuser und Wohnungen in verschiedenen Einheiten, jedoch mit geschützten, privaten Rückzugsmöglichkeiten auch im Freien.
Allen Menschen steht eine sehr große Gemeinschaftsfläche zur Verfügung, die sich durch das gesamte Gelände mit zahlreichen Spielgeräten und Aufenthaltsmöglichkeiten zieht, und sogar an diesem regnerischen, kalten Tag der Exkursion waren einige Kinder unterwegs. In einem Gemeinschaftsgarten kann gemeinsam gegärtnert und geerntet werden.
Der Besuchergruppe ist vor allem aufgefallen, dass weder Autos noch Garagen zu sehen waren. Frau Drexler erklärte, dass alle Bewohner von einer riesigen Tiefgarage aus direkten Zugang zu den 45 Reihen-/Doppelhäusern und sieben Mehrgenerationenhäusern mit 70 unterschiedlich großen Wohnungen haben, so dass das Gelände oberirdisch quasi autofrei ist.
Ungewöhnlich aber genial wurde die Integration eines Supermarktes in das Wohngebiet gelöst, denn die Rückseite des Marktes mit dem begrünten Dach wurde aufgeschüttet und dient nun als Spiel- und Rodelhang. So ist der Supermarkt vom Wohngebiet aus nicht sichtbar, liegt jedoch trotzdem sehr zentral. Weyarn hat, obwohl dort knapp 4.000 Bürger wohnen, immer noch einen sehr dörflichen Charakter.
Die Besuchergruppe zeigte sich sehr beeindruckt, wie die Ortschaften Münsing und Weyarn die Herausforderungen bei der Entwicklung ihrer Ortskerne – die mit zahlreichen Wohnbaupreisen ausgezeichnet wurden – gemeistert haben.
Auch wenn diese Projekte nicht 1:1 auf Niederbayern übertragbar sind, dienen sie als Ideengeber und zeigen, was entstehen kann, wenn man neue Wege geht. Vollgepackt mit fachlichem Input trat die Gruppe die Rückreise an.
Nur eine Woche später führte eine weitere Exkursion die Gruppe nach Haslach an der Mühl, einer Gemeinde mit 2.600 Einwohnern in Oberösterreich. Bei dieser Exkursion lag der Schwerpunkt nicht beim Wohnungsbau, sondern bei der Bewältigung von Leerständen und der Herausforderung, eine ehemalige Industriebrache mit neuem Leben zu füllen.
Architekt Josef Schütz vom Architekturbüro arkade erläuterte, dass die Entscheidung anstand, was mit dem leerstehenden, großen und ortbildprägenden Vonwiller-Areal, einer 1819 gegründeten Leinen- und Baumwollwarenfabrik, geschehen soll. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern wurde im Jahr 2000 in einem Revitalisierungs-Workshop das Ziel erarbeitet: Änderung der Funktion des Gebäudes und Verwandlung in ein multifunktionales, kulturelles Mehrzweckgebäude. Heute befinden sich im Areal das preisgekrönte Webereimuseum mit Textilem Zentrum, die mechanische Klangfabrik, Musikschule, die Mühlviertler Ölmühle mit Schaubetrieb sowie eine Gastronomie mit Veranstaltungsräumen.
Bei der Führung durch den Ortskern mit historischer Ringmauer und Wehrturm bekam die Besuchergruppe Erläuterungen zu den renovierten Gebäuden und Umnutzungen. So wurde in einem bestehenden Gebäude, das bereits 1373 als „Trivialschule“ erwähnt wurde, ein „Primärversorgungszentrum“ eingerichtet, das Ärzte, Hebammen, Logopädinnen, Physiotherapeuten und eine Wohneinheit beherbergt.
Auch am Markplatz hat es Änderungen in der Gebäudenutzung gegeben. Hier befand sich z.B. ein altes Metzgerei-Gebäude, das liebevoll restauriert wurde und in dem sich heute die Werkstatt eines Geigenbaumeisters befindet.
Nach einem Mittagessen und dem Probieren der Spezialität der Region, den Haslachern Leinölerdäpfeln, bedankte sich die Gruppe herzlich bei Josef Schütz für die Ausführungen und Impulse aus Haslach.
Im Anschluss fasste die Gruppe rund um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der ILE Abteiland den Beschluss, sich im Handlungsfeld Innentwicklung ein weiteres Jahr von Architekt Florian Riesinger fachlich begleiten zu lassen und stellte fest, auf dem richtigen Weg zu sein.
